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       Der Kreisauer Kreis

     Was diskutierte man, was waren die Ziele?

     Andere Widerstandsgruppen

     Einige der wichtigen Mitglieder des Kreisauer Kreises

     Woher stammt die Bezeichnung "Kreisauer Kreis"?

     Opposition und Widerstand. Die Wirkung des Kreisauer Kreises?

     Zitatesammlung

    

Was diskutierte man, was waren die Ziele?
Sommer 1940: Deutschland im Siegesrausch

Zu dieser Zeit formulierte Helmuth James Graf von Moltke eine Denkschrift über den Staat ( "Die kleinen Gemeinschaften") und begann die Zusammenarbeit mit Yorck von Wartenburg, Einsiedel, Gablentz (Initiativgruppe des "Kreisauer Kreises").

Später kamen weitere Personen verschiedenster geistiger und politischer Herkunft hinzu. Zum inneren Kern gehörten am Ende (1944/45) etwa 20 Personen.

Ausgangspunkt war der Gedanke, dass der Krieg selbst den Untergang der Diktatur Hitlers herbeiführen würde. Man diskutierte die staatliche und gesellschaftliche Neuordnung Deutschlands nach dem Ende des Regimes. Doch wie sollte dieser sich ergeben?

Zunächst ging es den "Kreisauern" darum, ein Modell eines künftigen Staatsaufbaus zu entwickeln und verantwortungsbewußte Persönlichkeiten zu finden, die sich mit klarem Programm für den Neuaufbau engagieren würden...

Einige Kreisauer befürworteten später (ab 1943 oder 1944) auch den "Tyrannenmord" (Attentat auf Hitler) bzw. suchten oder pflegten den Kontakt zu den Organisatoren des späteren "20. Juli". Andere waren - besonders Moltke - bis zum Ende gegen den "Tyrannenmord" bzw. Putsch und Staatsstreich eingestellt...

Was waren die wichtigsten Fragestellungen?

  • Wer übernimmt nach dem Zusammenbruch den Wiederaufbau des Landes?

    Man einigte sich darauf, dass v. a. die Arbeiterschaft und Kirchen diese Aufgabe zu übernehmen hätten, weswegen man auch von Anfang an Personen aus diesen Kreisen mit an der "Planungsarbeit" zu beteiligen suchte (z. B. Mierendorff, Leber als Vertreter der Arbeiterschaft; von Preysing, Bischof von Berlin als Vertreter der Kirche).

  • Europa und Außenpolitik

    Außenpolitisch stand für die Kreisauer im Vordergrund, die nationale Souveränität Deutschlands zu begrenzen und eine Europapolitik auf föderativer Basis zu betreiben. Die Neuordnung Deutschlands sollte im europäischen Rahmen geschehen. Daher suchten die Kreisauer in ihrer Arbeit während des Krieges auch stets den Kontakt zu Gruppen anderer europäischer Länder. Ein weiterer Schwerpunkt war die Aussöhnung mit den östlichen und westlichen Nachbarn.

  • Staats- und Wirtschaftsaufbau

    Dem Programm der Neuordnung lag ein "christliches Menschenbild" zugrunde. Man stellte sich einen auf "kleinen Gemeinschaften" aufbauenden Staat mit Selbstverwaltung vor, beruhend auf Eigenverantwortung und doch zugleich zentraler Lenkung im Wirtschaftsbereich, Betriebsgewerkschaften und einer Verstaatlichung von Bergbau, Schwerindustrie und Energiewirtschaft.

  • Menschenrechte

    In den Grundsatzerklärungen des Kreisauer Kreises sind die Menschen- und Grundrechte von zentraler Bedeutung. Stichpunkte: Gewissensfreiheit, Rechtssicherheit, Existenzminimum, Recht auf Arbeit und Eigentum

  • Die Rolle der Kirche bzw. des Christentums

    Moltke suchte - als Protestant - schon früh auch den Kontakt zu Katholiken. Hintergrund? Moltke sah im "Christentum" schon sehr früh einen unüberbrückbaren Gegensatz zum nationalsozialistischen Regime und suchte daher den Kontakt zu Regimegegnern aus dem Kreis der Kirche, z. B. zum katholischen Bischof von Berlin, Konrad Preysing, und zu Jesuiten (siehe auch Alfred Delp)


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    Andere Widerstandsgruppen
    Andere Widerstandsgruppen - wie zum Beispiel die aus dem deutschen Militär sich rekrutierende (um Claus Schenk Graf von Stauffenberg) - versuchten, den Sturz des Regimes durch die Ermordung Hitlers herbeizuführen (Tyrannenmord). Die Erhebung am 20. Juli 1944 scheiterte.

    Im Anschluss daran kam es zu einer großen Verhaftungswelle, in deren Verlauf auch viele Mitglieder des Kreisauer Kreises verhaftet und hingerichtet wurden, auch wenn einige der "Kreisauer" - besonders Moltke - gegen den "Tyrannenmord" eingestellt waren.

    Weitere Gruppen (Sozialdemokratie und Kommunisten, Christen, Reichswehr, Einzelaktionen ...)


        

    Einige der wichtigen Mitglieder
      des Kreisauer Kreises

    Zum inneren Kern gehörten etwa 20 Personen, vertreten war fast das ganze Spektrum der Weimarer Zeit, v. a. Beamte (dienstverpflichtete oder vom Regime bereits entlassene), aber auch Sozialisten, Politiker, Pädagogen, Katholiken, Protestanten...

  • Helmuth James von Moltke
  • Peter Graf Yorck von Wartenburg
  • Adam von Trott zu Solz
  • Adolf Reichwein
  • Alfred Delp
  • Carlo Mierendorff
  • Julius Leber

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    Woher stammt die Bezeichnung
       "Kreisauer Kreis"?

    Die Bezeichnung "Kreisauer Kreis" wurde von der Gestapo geprägt. Hintergrund ist, dass die drei wichtigsten Treffen 1942 und 1943 auf dem Gut Helmuth James Graf von Moltkes im schlesischen Kreisau (heute polnisch: Krzyżowa) stattfanden, und Moltke als die zentrale Figur des Kreisauer Kreises gilt. Die Treffen wurden aus Sicherheitsgründen geheim gehalten und hatten die Form von Familien- und Gesellschaftstreffen. Die Kreisauer trafen sich im Berghaus, der Wohnung von Moltke. Doch gab es auch Treffen an anderen Orten (z. B. in Berlin).
    Das Dorf Kreisau gehört seit 1945 zu Polen, heißt Krzyżowa und zählt 200 Einwohner. Auf dem Gutshofgelände der Familie von Moltke gab es bis zur Wende (1989) eine landwirtschaftliche Genossenschaft. Jetzt nutzt es die Stiftung für Europäische Verständigung, die sich für deutsch-polnische Annäherung einsetzt.


        

    Opposition und Widerstand. Die Wirkung des Kreisauer Kreises?

         Worin bestand der "Widerstand"?

  • Kontaktaufnahme mit Bischöfen, um kritischere Haltung gegenüber dem Regime zu erwirken
  • Entwicklung eines Programms "Grundsätze für die Neuordnung" für die Zeit nach der Niederlage Deutschlands
  • Kontaktaufnahme mit Politikern, Journalisten und Botschaftern des Auslands (England, Holland, Skandinavien): Diese versuchte Moltke u. a. von der Irrigkeit der Appeasement-Politik (England) zu überzeugen; später ging es darüber hinaus um die Planung einer Neuordnung nach dem Krieg - im europäischen Rahmen
  • Moltke (außerhalb der Arbeit des Kreisauer Kreises): Ab September 1939 arbeitete er - dienstverpflichtet - während des Krieges in der völkerrechtlichen Abteilung des Amtes Ausland/Abwehr des OKW (Oberkommando der Wehrmacht). Dort bemühte er sich, Entscheidungen des Regimes, die er als Abscheulichkeiten empfand, zu verhindern, aufzuschieben, ihre Wirkungen zu mindern oder einzudämmen bzw. humanitär auf das militärische Geschehen einzuwirken. Die völkerrechtliche Gruppe des Amtes war nicht weisungsbefugt und konnte nur mit Gutachten versuchen zu wirken:
    - zur Verhinderung der Ausweitung des Krieges (Westfront)
    - gegen Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands.
    - für die die Einhaltung des Kriegs- und Völkerrechts (z. B. in Bezug auf die Behandlung von Kriegsgefangenen)

    Bemerkung: Im Oktober 1942 hörte Moltke den ersten Bericht über ein Vernichtungslager, in denen Juden mit Giftgas ermordet wurden. Doch konnte er auf dieses Geschehen nicht einwirken, da die völkerrechtliche Abteilung des Amtes Ausland/Abwehr des OKW nicht zuständig war, sondern die SS.

    Als Mitglied der "Abwehr" durfte Moltke offizielle Reisen ins Ausland unternehmen; nach Belgien, Holland, England, Norwegen, Polen und auch nach Schweden und in die Türkei. In England suchte er früh, d. h. bereits vor dem Krieg Kontakt zu Dipolmaten und Journalisten, um auf die eigentliche Situation in Deutschland und Gefahr, die von Hitler ausging, aufmerksam zu machen. Später suchten er und andere Kreisauer besonders in von Deutschland besetzten Ländern Kontakt zu Widerstandsgruppen (Holland, Norwegen, Frankreich usw.), um mit ihnen die Zeit nach der Niederlage Deutschlands zu planen.

    Moltkes Einsprüche gegen völkerrechtswidrige Befehle brachten ihn in Gefahr. So wurde er im Januar 1944 von der Gestapo verhaftet und im Januar 1945 hingerichtet.


  •    Zitatesammlung
    Stichwort "Neuordnung"
    "Das Schicksal jeder kommenden Neuordnung ist abhängig davon, ob es endlich gelingt, den Arbeiter als Arbeiter (nicht als Genossen und nicht als Volksgenossen) in die Gemeinschaft einzugliedern. Dies bedeutet eine wirtschaftliche, eine kulturelle und eine politische Aufgabe" (Alfred Delp)

    Stichwort "Widerstand"
    "Es ist schwer zu vermitteln, dass dieses ganze noch friedliche Leben sich vor einem Hintergrund wirklich latenter Gefahr abspielte. Wer ein Gegner der herrschenden Diktatur war und das zum Ausdruck brachte oder durch Handlungen bezeugte, musste mindestens mit einem KZ-Aufenthalt rechnen. Immer bestand sehr schnell Lebensgefahr, und die Angst trug dazu bei, die Menschen zu zähmen. Warum wir persönlich aber nie in einem Zustand er Angst gelebt haben? Wohl weil wir so fest an die Notwendigkeit dessen, was wir unternahmen, glaubten. Die Gefahr wurde dann Alltag."
    (Freya von Moltke, "Erinnerung an Kreisau 1930 - 1945" (über die Atmosphäre Mitte/Ende der Dreißiger)

    "Wir wollen, wenn man uns schon umbringt, doch auf alle Fälle reichlich Samen streuen"
    (Moltke an Alfred Delp, wenige Tage vor seiner Hinrichtung)

    "In Deutschland waren Opposition und Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur damals nicht erfolgreich, deshalb gewiß doch nicht umsonst. In Polen, gegen die stalinistische Diktatur, waren sie erfolgreich."
    (Freya von Moltke, 1997)

    "Der Hauptirrtum war, sich auf eine Aktion der Generäle zu verlassen. Diese Hoffnung war von vornherein aussichtlos, aber die meisten konnten nicht rechtzeitig davon überzeugt werden....Der wichtigste soziologische Grund ist, daß wir eine Revolution brauchen, nicht einen Staatsstreich; und eine solche Revolution wird den Generälen niemals denselben Spielraum und diesselbe Stellung geben, wie sie ihnen von den Nazis eingeräumt worden sind und noch heute eingeräumt werden.."
    (James Moltke, 1943 in einem Brief an Lionel Curtis zu den Fehlern der deutschen Opposition)

    "Ich glaube, daß ein gütiges Geschick diesen Aufstand vom Gelingen bewahrt hat. Die Erfolglosen und Gescheiterten stehen heute reiner und größer da, als sie nach einem geglückten Umsturz hätten erscheinen können: nicht nur rein von der Blutschuld eines möglichen Bürgerkrieges, sondern rein von der Nötigung zu demütigenden Kompromissen und Halbheiten, die sich im Fall des Gelingens nach innen und nach außen aufgedrängt hätten."
    (Carl Zuckmayer)

    "Wir planten, Kreisau zu einer Stätte der Versöhnung und Verständigung zu machen. Allerdings war uns aufgrund früherer Versuche die Ungewissheit bewusst, ob die polnsiche Regierung bereit sein würde, uns zu erlauben, überhaupt etwas in Kreisau zu unternehmen. In ihrem Verständnis gab es schließlich nur eine Widerstandsbewegung gegen Nazideutschland - die kommunistische."
    (Wim Ph. Leenmann, bis 1996 Mitglied des Stiftungsrats der Stiftung Kreisau)

    Stichwort "Europa" (Bürger und Staat)
    "Ich gehe davon aus, dass es für eine europäische Ordnung unerträglich ist, wenn der einzelne Mensch isoliert und nur auf eine große Gemeinschaft, den Staat, ausgerichtet ist. Der Vereinzelung entspricht die Masse; aus einem Menschen wird so ein Teil einer Masse. Gegenüber der großen Gemeinschaft, dem Staat, oder etwaigen noch größeren Gemeinschaften wird nur der das rechte Verantwortungsgefühl haben, der in kleineren Gemeinschaften in irgendeiner Form an der Verantwortung mitträgt, andernfalls entwickelt sich bei denen, die nur regiert werden, das Gefühl, dass sie am Geschehen unbeteiligt sind, und bei denen, die nur regieren, das Gefühl, dass sie niemandem Verantwortung schuldig sind als der Klasse der Regierenden. - Eine solche Entwicklung mag Russland oder asiatischen Ländern angemessen sein; eine europäische Ordnung wird nicht aus ihr erwachsen."
    (von Moltke, aus "Die kleinen Gemeinschaften", 1939/40)

    "Ich gehe also davon aus, dass es für eine europäische Ordnung (...) erforderlich ist, dass in jedem Einzelnen das Gefühl der Verantwortung für alles, was geschieht, geweckt wird; daraus folgt, dass ich diejenige Verwaltungsorganisation für die beste halte, die dem Einzelnen den weitesten Spielraum für die Betätigung seines Verantwortungsgefühls und seines Dranges, anderen nützlich zu sein, gewährt, und dass auch außerhalb des reinen Verwaltungssektors mir eine Gesellschaftsordnung mit einer möglichst großen Zahl möglichst kleiner Gemeinschaften das erstrebenswerte Ziel zu sein scheint. Das bedeutet nicht, einer Vereinsmeierei das Wort reden. Vereinigungen, die lediglich die Befriedigung eigener Wünsche bezwecken, sind nicht dazu angetan; das Verantwortungsbewusstein eines jeden für jeden anderen zu stärken ..."

    (von Moltke, aus "Die kleinen Gemeinschaften", 1939/40)

    Stichwort "Arbeiterschaft"
    "Das Schicksal jeder kommenden Neuordnung ist abhängig davon, ob es endlich gelingt, den Arbeiter als Arbeiter (nicht als Genossen und nicht als Volksgenossen) in die Gemeinschaft einzugliedern. Dies bedeutet eine wirtschaftliche, eine kulturelle und eine politische Aufgabe" (Alfred Delp)

    Stichwort "Stiftung"
    "Ich glaube, dass Kreisau - wie vorgesehen - trotz der hohen Schwelle des Schlosses und der übrigen Objekte weiter auf die Umgebung ausstrahlt, denn Kreisau in Krzyżowa ohne Krzyżowa, die Stiftung im Dorf ohne das Dorf, hätte meines Erachtens keine Erfolgschancen." (Pfarrer Bolesław Kałuża)

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